Frauensicherheitsrat



Am 20. März 2003 begann der Krieg der US- und der britischen Streitkräfte gegen den Irak. Fast zum selben Zeitpunkt, am 28. März 2003, konstitutierte sich in Bonn der „Frauensicherheitsrat“.
Der Frauensicherheitsrat ist ein Netzwerk von rund 50 Friedensforscherinnen, Friedensaktivistinnen, und Frauen in politischen Stiftungen und NGOs.

Arbeitsgrundlage
Ziele
Arbeitsweise
Steuerungsgruppe
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Arbeitsgrundlage:

Die traditionelle staatliche Außen- und Sicherheitspolitik ist noch immer eine Männerdomäne. Politikdiskurse und Entscheidungen werden von Männern gemacht und dominiert, nur wenige Frauen finden sich in verantwortlichen Positionen. Alternative Analysen und Sichtweisen der internationalen Beziehungen finden kaum Gehör, geschweige denn Eingang in die operative Politik. Auf der anderen Seite nehmen der Staat und seine vorwiegend männlichen Akteure Frauen in ihren gesellschaftlichen Kontexten vor allem als Opfer und passiv Leidende in kriegerischen Auseinandersetzungen wahr.

  • Dabei wird ausgeblendet, dass Frauen das Überleben der Gemeinschaft in Kriegs- und Nachkriegszeiten organisieren und durch ihre Arbeit den Hauptanteil am (Wieder-)Aufbau der Gesellschaft leisten.
  • Die aktive Rolle von Frauen in Friedensprozessen, in der Krisenprävention und der gewaltfreien Konfliktbearbeitung und -transformation wird nicht wahrgenommen.
  • Frauen werden kaum oder gar nicht in offizielle Friedensverhandlungen oder UN-Missionen einbezogen.
  • Die Bedürfnisse von Frauen und Mädchen in Krisengebieten, Flüchtlingslagern oder beim Aufbau von Entwicklungsprojekten werden immer noch zu wenig gesehen.

Auf nationaler wie auf internationaler Ebene sind wir noch weit entfernt von der Umsetzung der Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrates vom Oktober 2000. Diese fordert die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an friedenserhaltenden bzw. -schaffenden Maßnahmen.

Ziele

  • Bündelung frauenpolitischer Kompetenz
  • Einbeziehung der Genderperspektive in die Außen- und Sicherheitspolitik
  • Impulsgebung für die nationale Umsetzung der UN-Resolution 1325
  • Kritische Begleitung der Arbeit der Bundesregierung im UN-Sicherheitsrat
  • Verteidigung des Völkerrechts und von Menschenrechtsstandards
  • Neudefinition des Sicherheitsbegriffs unter geschlechtsspezifischen Aspekten
  • Entwicklung eines geschlechtsspezifisch orientierten Kriterienkatalogs für zivile Friedensmissionen
  • Sensibilität für und Unterstützung von Frauen in Krisenregionen

Arbeitsweise

  • Autonomer Arbeitszusammenhang engagierter Frauen aus frauen-, friedens- und entwicklungspolitischen Organisationen in der Außen- und Sicherheitspolitik, politischen Stiftungen und Friedensforschungsinstituten
  • Außenvertretung durch eine zehnköpfige Steuerungsgruppe
  • Informationsaustausch über internes e-mail-Netzwerk
  • Bildung eines Expertinnenpools für eine gender-sensitive Außen- und Sicherheitspolitik
  • Aktive Mitarbeit und Anregungen sind ausdrücklich erwünscht

Steuerungsgruppe

Sylvia Braun

Sarah Clasen

Marie-Christine Heinze

Gitti Hentschel
Gunda-Werner-Institut der Heinrich-Böll Stiftung

Heidi Meinzolt-Depner
WILPF / IFFFF Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit

Jill Scherneck

Ute Scheub
Scheherazade

Judith Striek
Amnesty International

Simone Wisotzki
Dt. Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung

Aktionsplan

zur beschleunigten Umsetzung von Resolution 1325

Ein Positionspapier des Frauensicherheitsrates

Wir schlagen vor, dass sich die Bundesregierung kurz- und mittelfristig bei der Umsetzung von Resolution 1325 auf einige Teilbereiche konzentriert. Langfristig muss natürlich auf Umsetzung aller Forderung hingearbeitet werden.

Unsere nachfolgenden Empfehlungen haben wir in kritischer Durchsicht von von drei Berichten erarbeitet:
(1.) dem im Auftrag des UN-Sicherheitsrates von einer UN-übergreifenden Arbeitsgruppe erstellten Bericht „Women, Peace and Security“
(2.) dem 21-Punkte-Plan von UN-Generalsekretär Kofi Annan zur Umsetzung von Resolution 1325, den er auf Basis der Studie „Women, Peace and Security“ am 16.10.2002 dem UN-Sicherheitsrat vorlegte
(3.) der in einem Dutzend Krisengebieten erstellten Feldstudie „Women, War and Peace“ von von Elisabeth Rehn und Ellen Johnson Sirleaf, die im Jahr 2002 im Auftrag von UNIFEM erstellt und mit einer Reihe von Empfehlungen an die zuständigen UN-Instanzen versehen wurde

In praktisch allen Krisengebieten der Welt gibt es Fraueninitiativen, die sich für Dialog, Frieden und Versöhnung stark machen. Frauen und Mädchen sind keineswegs nur Opfer (und manchmal auch Täterinnen). Sie sind auch Akteurinnen mit einem großen sozialen Potenzial. Die internationale Gemeinschaft sollte alles tun, sie in dieser Rolle zu stärken.

Leider wird dieser für uns zentrale Aspekt nur von den Autorinnen Rehn und Sirleaf hervorgehoben, während er in der Studie „Women, Peace and Security“ und in Kofi Annans Empfehlungen kaum eine Rolle spielt.

Wir haben uns deshalb fürs erste auf diejenigen Aspekte in der Resolution 1325 konzentriert, die die aktive Rolle von Frauen stärken. Die unseres Erachtens wichtigste Forderung von 1325 lautet: „Frauen müssen in den nationalen, regionalen und internationalen Institutionen und Mechanismen zur Verhütung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten auf allen Entscheidungsebenen stärker vertreten sein.“

Dieser Forderung muss nun durch konkrete Zielformulierungen (Quoten) zur Umsetzung verholfen werden. Quoten sind sicher kein Allheilmittel, und es dürfte in einigen Fällen wohl sehr schwer werden, sie umzusetzen. Der Verzicht auf konkrete Quoten ist jedoch jedesmal von neuem eine Einladung zur Unverbindlichkeit, er stärkt jene Kräfte, die Frauen aus welchen Gründen auch immer aus politischen Prozessen heraushalten wollen.

· In allen Friedensprozessen und in allen Gremien, die mit der Umsetzung von Friedensabkommen beauftragt werden, müssen mindestens 30 Prozent Frauen beteiligt werden. Dies betrifft derzeit unter anderem Afghanistan, Irak, Israel-Palästina und die Demokratische Republik Kongo.

· Eine UN-interne Monitoring-Group sollte damit beauftragt werden, dem UN-Generalsekretär und den zuständigen UN-Gremien Bericht zu erstatten, ob diese Vorgaben befolgt werden. Wenn gravierend dagegen verstoßen wird, müssen zugesagte Mittel für den Wiederaufbau gekürzt werden. Beispiel: Wenn die Mindestquote von 30 Prozent um 10 Prozent unterschritten wird, werden die Gelder ebenfalls um 10 Prozent gekürzt.

· Da Frauen über weit weniger finanzielle Ressourcen verfügen als Männer, zumal in den nichtindustrialisierten Ländern, unterstützen wir nachdrücklich die Forderung von Rehn und Sirleaf nach der Auflegung eines UN-Trust Funds für die Unterstützung von Friedensaktivistinnen.

· Beim Wiederaufbau kriegszerstörter Länder muss nachdrücklicher als bisher auf die Verankerung der Gleichstellung geachtet werden. In den Kommissionen, die das zukünftige Rechtssystem und die zukünftige Verfassung des jeweiligen Landes ausarbeiten, müssen ebenfalls mindestens 30 Prozent Frauen sitzen.

· Das Gleiche gilt für die ersten Wahlen in einem Wiederaufbau-Prozess: Mindestens 30 Prozent der Sitze in den nationalen und regionalen Parlamenten müssen für Frauen reserviert werden. Die wenigen bisherigen Erfahrungen mit einer solchen Regelung sind sehr positiv, sie sollten in einer UN-finanzierten Studie differenziert untersucht und einem breiten internationalen Publikum vorgestellt werden.

· Auch diese Prozesse sollten jeweils von einer UN-Monitoring-Group überwacht und bei gravierenden Verstößen mit Mittelkürzungen sanktioniert werden.

· Aus- und Fortbildung spielt eine zentrale Rolle in Wiederaufbauprozessen. Es muss sichergestellt werden, dass alle Bildungsmaßnahmen mindestens zu 50 Prozent für Frauen und Mädchen zugänglich sind und dass deren Teilnahme gezielt gefördert wird. Die Bundesregierung hat sich hier in Afghanistan bereits stark engagiert und sollte darauf drängen, dass innerhalb der UN eine Einheit damit betraut wird, federführend Ausbildungs- und Fortbildungsmaßnahmen für Frauen und Mädchen in Krisenregionen zu koordinieren.

· Besonders wichtig ist die Förderung und gleichberechtigte Beteiligung von Frauen im Sicherheits- und im Justizsektor. Schon vor Beginn der Ausbildung von PolizistInnen oder RichterInnen muss darauf geachtet werden, dass dafür so viele Frauen wie möglich öffentlich mobilisiert werden. Die Ausbildungspläne sind geschlechtersensibel zu gestalten: Die international garantierten Frauen- und Menschenrechte sowie die Bekämpfung von sexualisierter Gewalt und von häuslicher Gewalt müssen einen breiten Raum einnehmen.

· Bei der Vergabe von Mitteln für die humanitäre Hilfe muss mittels Erstellung von Gender-Budgets darauf geachtet werden, dass Frauen und Mädchen von diesen Mitteln genauso profitieren wie Männer und Jungen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass in manchen Krisenregionen bedingt durch die vielen männlichen Kriegstoten der Anteil der Frauen weitaus höher liegt als der der Männer. In Afghanistan wird der weibliche Teil der Bevölkerung auf 60 bis 65 Prozent geschätzt, im Irak auf 55 bis 60 Prozent.

· Weltweit sind rund 80 Prozent der Flüchtlinge Frauen und Kinder. Flüchtlingsfrauen müssen beim Aufbau und Betrieb von Flüchtlingslagern zwingend miteinbezogen werden, ihre Erfahrungen müssen genutzt, ihre Bedürfnisse anerkannt werden. Beim Bau von Sanitäranlagen und Schutzvorrichtungen, bei der Lieferung von Hygienemitteln oder bei der ärztlichen und gynäkologischen Versorgung muss der hohe Prozentsatz weiblicher Flüchtlinge angemessen berücksichtigt werden.

· Frauen müssen in den Führungspositionen der UNO eine wesentlich größere Rolle spielen als bisher. Wir unterstützen nachdrücklich die Forderung, dass der nächste UN-Generalsekretär eine Frau ist, und wir fordern die Bundesregierung auf, sich bei der Suche und Präsentation geeigneter Kandidatinnen zu engagieren.

· Gleichzeitig fordern wir, dass bis 2005 mindestens 10 Prozent und bis 2015 mindestens 30 Prozent aller UN-Führungspositionen an Frauen gehen. Derzeit gibt es nur sechs Frauen an der Spitze einer UN-Unterorganisation. Der UN-Generalsekretär, der diese Quote selbst befürwortet, ist bisher an der mangelnden Unterstützung durch die UN-Mitgliedsstaaten gescheitert, die zu wenig Kandidatinnen aufstellen. Wir fordern die Bundesregierung auf, vermehrt Kandidatinnen zu präsentieren, in den Konsultationen mit anderen Staaten auf die Kandidatur von Frauen zu drängen und Kandidatinnen anderer Länder zu unterstützen.

· Ähnliches gilt für die Posten der UN-Sonderbeauftragten und Sonderbotschafter. Derzeit sind unter den 68 Sonderbotschaftern nur sechs Frauen zu finden. Wir fordern hier die Erfüllung einer Frauenquote von mindestens 30 Prozent bis 2005 und 50 Prozent bis 2015. Auch hier fordern wir eine aktive Unterstützung von Kandidatinnen durch die Bundesregierung.

· Beim militärischem und zivilen Personal von UN-Friedensmissionen ist ebenfalls eine Frauenquote einzuführen. Hier sollte der Frauenanteil bis 2005 auf 10 Prozent und bis 2015 auf 30 Prozent gesteigert werden. Derzeit sind nur 4 Prozent der UN-Polizeikräfte und 3 Prozent der UN-Militärs weiblich.

· Die Missionen des UN-Sicherheitsrats müssen ab sofort nach dem Prinzip der Gender Balance zusammengesetzt werden (mindestens 40 Prozent aller Missionsmitglieder sollten Frauen, mindestens 40 Prozent sollten Männer sein). Die Geschlechterperspektive ist in den Berichten der Missionsmitglieder zwingend zu berücksichtigen, bereits im Vorfeld ist auf eine Datenerhebung getrennt nach Geschlechtern zu achten. Frauengruppen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene müssen zwingend konsultiert werden. Die Bundesregierung soll das UN-Generalsekretariat bei der Erstellung einer Datenbank von Gender-SpezialistInnen und Frauen- und Friedensnetzwerken unterstützen.

· Sexualisierte Gewalt, Folter und Vergewaltigung zählen zu den schlimmsten Gewaltakten, fast immer ziehen sie lebenslange Folgen für das Opfer nach sich. Dennoch besteht in vielen Krisenregionen der Welt eine faktische Straffreiheit für die Täter. Um diese abzuschaffen oder wenigstens einzuschränken, ist, wie bereits in CEDAW gefordert, für alle Regierungen einer systematische Berichtspflicht einzuführen und mindestens einmal jährlich ein Bericht abzuliefern. Zivilgesellschaftliche Organisationen, Frauen- und Friedensgruppen sind hier ebenfalls zu befragen und einzubeziehen. Das Material ist gegebenenfalls dem Internationalen Strafgerichtshof zu überstellen.

· In diesem Zusammenhang sollte, wie von Rehn und Sirleaf gefordert, eine Internationale Wahrheits- und Versöhnungskommission eingesetzt werden, vor der Opfer sexualisierter Gewalt aussagen können.

Diese Stellungnahme des Frauensicherheitsrates wird von seinen Mitgliedsorganisationen gemäß ihrer satzungsgemäßen Aufgaben getragen

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